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HEIMAT IN DER FREMDE ( Eine Erzählung nach einer wahren Begebenheit von G. Michel )

Der Krieg in Frankreich ging, nach der Landung der Alliierten in der Normandie, er in seine letzte Phase. Die Bewegungen der deutschen Truppen kannten nur eine Richtung, nach Osten, dem Rhein zu. Die gegnerischen Verbände, meist Amerikaner, mit einem unerschöpflichen Potenzial, an Waffen und Ausrüstung, folgte den zermürbten, ausgebluteten deutschen Divisionen.

Die 4. mot. Infanterie Division, zumindest der Rest dessen, das die permanenten Kampfhandlungen überlebt hatte, lagerten in einem großen Wald nördlich von Orleans. Seit Tagen verfolgt von den Jabos der Amerikaner und Briten. Gut unter Tarnnetzen versteckt versuchten sich die Einheiten den Augen und Bomben der Jagdflieger zu entziehen. Die 2. Kompanie lag am Rande eines Waldes und sollte die Straße die aus der Ebene kam, kontrollieren. Aus der Ferne hörten die Vorposten das Brummen der Sherman Panzer. Oberfeldwebel Wilhelm geb. am 1.4.1914 in Frankenstein, suchte mit dem Fernglas das Vorfeld ab. Plötzlich wie aus dem Nichts tauchten am Himmel drei feindliche Flugzeuge auf. Feuerzungen leckten aus den Bordkanonen und fraßen sich in den Wald. Wilhelm und seine Gruppe suchte Deckung hinter den Bäumen. Einer der Soldaten blieb getroffen am Waldrand zurück. Er sollte die Heimat nicht mehr wiedersehen. Die Gruppe begrub ihren toten Kameraden in fremder Erde. Die Ereignisse lösten in dem Oberfeldwebel eine tiefe Mutlosigkeit aus. Der Krieg war verloren, aber das sinnlose Sterben ging weiter.

Nur einen Woche später, im Oktober 1944 war der Krieg für die müden Kämpfer der 2. Kompanie zu Ende. Die Amerikaner nahmen Wilhelm und weitere zwanzig deutsche Soldaten gefangen. Sie hatten das Inferno überlebt. Wie ihre Zukunft aussehen würde, war in diesem Moment völlig gleichgültig. In solchen Situationen lernt man die Kostbarkeit des Lebens erst richtig zu schätzen und die Gefangennahme glich einer Erlösung.

Die an einem schnellen Vormarsch zum Rhein hin interessierten Amerikanern übergaben ihre Gefangenen baldmöglichst an die sich neu formierte französische Armee. Die Zielsetzung der im Aufbau begriffenen Strukturen waren von Anfang an klar erkennbar. Die Gefangenen mussten ihren Beitrag zum Wiederaufbau, des von ihnen zerstörten Frankreich leisten, oder in die Fremdenlegion, die Stabilisierung der französischen Kolonien, mit der Waffe in der Hand, unterstützen. Galten doch die erprobten Kämpfer des Rußlandfeldzuges als gerngesehene Kameraden, vor allem in dem neu aufflammenden Indochinakrieg.

Die Möglichkeit erneut für ein fremdes Land sein, eben erst zurück gewonnenes Leben einzusetzen, kam für Wilhelm nicht in Frage. Er sehnte sich, wenn auch nur halbwegs, in die Normalität des Lebens zurück.

Zunächst musste er als Gefangener, beim Straßenbau und schmalen Essensrationen, sein Dasein fristen. Schnell erkannte er, dass die aus den Kolonien stammenden Wachmannschaften den Gefangenen großteils nicht feindlich gesonnen gegenübertraten, ein Umstand, den Wilhelm zum eigenen Vorteil, zu nutzen verstand.

Eine Verbindung zur Heimat nach Frankenstein, war nur in sehr großen Zeitanständen möglich. Wilhelm ließ es bei den Umständen, die sein Leben bestimmten, begann die Landessprache zu lernen und wartete darauf, dass ihm das Schicksal eine Chance bot.

Nach zwei Jahren kam der Tag auf den er so lange warten musste. Schon morgens herrschte eine große Unruhe in dem Gefangenenlager. Vor dem Hauptgebäude versammelten sich so nach und nach die Bauern und Handwerker der Umgebung mit ihren Fuhrwerken. Wilhelm wusste von einem Wachsoldaten aus dem Senegal was das zu bedeuten hatte. Die Gefangenschaft könnte zu Ende sein und in einen Status als Zivilarbeiter übergehen. Eine Überlegung die Wilhelm für sich schon längst gefällt hatte.

Eine Rückkehr in das hungernde und zerstörte Deutschland kam für ihn vorerst nicht in Frage.

In so fern, galt es jetzt in diesem Moment, sich einem der nach einer Arbeitskraft suchenden Einheimischen, anzudienen. Da er der französischen Sprache weitgehend mächtig war, hatte es einen Vorteil gegenüber vielen seinen Kameraden, alles Andere war nun Glück. Dieses nahte, was allerdings erst nach langer Zeit seine Bestätigung fand, in der Person seines zukünftigen Patrons. Ehe er begriff wie ihm geschah saß er auf dem Traktor seines Arbeitgebers und tuckerte über die staubige Landstraße einem neuen Lebensumfeld zu. Die Aufnahme in der Gastfamilie gestaltete sich sachlich kühl. Die Madame des Hauses war sehr reserviert im Gegensatz zu ihrer jungen, hübschen Tochter Renee. Der Patron stellte den neuen Knecht in der Familie vor, und wies ihm eine kleine Kammer in einem Nebengebäude zu, wo Wilhelm mit vier weiteren Bediensteten, die Mahlzeiten einnahm. Der Besitz der Familie beinhaltete eine Landwirtschaft, Weinberge und eine Werkstatt für Landmaschinen. Wilhelm sah nach allen Gegebenheiten, und begann über die neue Situation nachzudenken. Sein Leben nahm so ganz langsam eine Wende. Die Möglichkeit in die Heimat zurück zu kehren blieb zunächst eine Illusion.

Der junge gutaussehende Mann war in der Familie seines Patrons wohl gelitten. Er galt als tüchtig, zuverlässig und sehr geschickt im Umgang mit Tieren und in den Weinbergen. Er, der Kriegsgefangene war total überrascht, als ihn der Patron, an einem sonnigen Sonntag zum Boulespiel, auf den Dorfplatz, mitnahm. Der französischen Sprache soweit mächtig lauschte er mit etwas Unbehagen den Unterhaltungen der anwesenden Mitspieler. Zwei dieser Männer verstanden ein wenig deutsch, welches sie als Kriegsgefangene, bei einer Bauernfamilie in der Westpfalz aufgeschnappt hatten. Da den Beiden eine gute Behandlung widerfuhr, gab es für sie keinen Anlass zu Aversionen gegenüber dem Knecht vom Patron, der selbst keinen Sohn hatte. Renee die in einem katholischen Internat erzogene Tochter der Familie, ging nach dem Abitur, zur Unterstützung ihres Vaters, in dessen Werkstatt, am Rande des Dorfes und erledigte administrative Aufgaben. Gegen Abend kehrte die braun gebrannte , junge Frau, mit wehenden Haaren, auf ihrem Fahrrad zurück und verschwand im Haupthaus. Dieses Gebäude galt für die Bediensteten als tabu. Nur die Köchin durfte die unsichtbare Grenze überschreiten. Wilhelm der Knecht verstand es ab einem gewissen Zeitpunkt an, es so einzurichten, daß er am Abend bei der Heimkehr von Renee im Hof vor dem Haus, irgend- etwas zu tun hatte. Er grüßte die Mademoiselle höflichst, nahm ihr das Rad ab und wünschte ihr ,, bon soir Madmoiselle “. Renee blieb kühl und unnahbar gegenüber dem Fremden, auf der sozialen Stufe weit unter ihrer gesellschaftlichen Stellung, stehenden Deutschen. Obwohl auch Wilhelm eine höhere Schulbildung in Kaiserslautern genossen hatte, und anschließend in einer Nähmaschinenfabrik zum Produktionsmeister aufstieg. Seine berufliche Qualifikation führte Wilhelm, vor dem Krieg, in etliche Länder Europas, was ihm einen Weltgewanden Charme verlieh, der ihm aber im Moment noch wenig zu nützen schien. Er war aber so selbstkritisch, seinen Stellenwert zu erkennen. Und wieder kam ihm der Zufall zu Hilfe. Der Patron bat Wilhelm, in der Diele des Haupthauses eine Deckenlampe zu reparieren. Von hier aus war es ihm möglich durch die offenstehende Tür, einen Blick in das geschmackvoll eingerichtete Zimmer von Renee zu erhaschen. Es war ein riesiges Bücherregal, das ihn für einen kurzen Augenblick, die Möglichkeit erkennen ließ, wie er sich der stolzen jungen Frau nähern könnte. Wie schon so oft in seinem Leben, sah er sich einer fast aussichtslosen Herausforderung gegenüber. In der gemeinsamen Liebe zur klassischen Literatur fand Wilhelm den Schlüssel zu der empfindsamen Seele von Renee, deren Herz schon lange für den charmanten, gar nicht mehr so fremden Mann, schlug. Den Bauernjungen des Dorfes konnte sie nichts abgewinnen. Wie sie bei weiteren Gesprächen am Abend, zuerkennen glaubt, war der zehn Jahre ältere Deutsche, ein sehr belesener Mensch, dessen Repertoire von Victor Hugo bis Tolstoi reichte.

Der Sommer überflutete mit seiner Hitze die Umgebung des Dorfes Rillieux de pape bei Lyon und Wilhelm versuchte behutsam der tief gebräunten Madmoiselle näher zu kommen. Eines Tages nahm er allen Mut zusammen und bat Renee um ein Buch aus ihrer Bibliothek. Entgegen seinen Erwartungen entsprach Renee, mit einem glücklichen Lächeln, seiner Bitte.

Die Frau des Patrons verspürte mit sicherem weiblichem Instinkt die Veränderung die ihre Tochter durchlebte. Sie sann auf eine Möglichkeit, sich sachte dem Gefühlsleben ihrer frisch verliebten Tochter, zu nähern. Es war nur eine Frage der Zeit und Mutter und Tochter teilten ein Geheimnis. Aber auch der Patron erkannte in dem Knecht einen Mann mit großem Potential, den er gerne auf irgendeine Weise, in die geschäftlichen Belange der Familie Aubert, zu integrieren suchte.
Plötzlich hing die Zukunft der ganzen Familie, die keinen männlichen Erben hatte, von den Gefühlen der beiden jungen Menschen ab. Die Frau des Patrons, die immer unter der Vorstellung gelitten hatte, ihrem Gatten, den von ihm so sehr gewünschten Sohn und Erben, nicht geboren zu haben, glaubte die Beweggründe ihres Mannes zu erahnen. Somit war der Zeitpunkt gekommen an den alle Sehsüchte und Vorstellungen aufeinander zuliefen. Dieser Moment fand Erfüllung im Spätsommer des Jahres 1947, zweieinhalb Jahre nach Kriegsende.
Das ganze Dorf, Rillieux de pape, war auf den Beinen, als sich Wilhelm S. und Renee A. in der kleinen romanischen Dorfkirche, das Jawort gaben.
Wilhelm hatte sich seiner Vergangenheit in Frankenstein vorerst entledigt und würde zu gegebener Zeit, seine deutsche gegen die französische Staatsbürgerschaft eintauschen. Die Tatsache, dass ein französisches Mädchen aus dem Dorf einen Deutschen heiratete, spaltete die Bevölkerung in zwei Lager. Zustimmung und Ablehnung machtem dem jungen Paar das Leben nicht ganz einfach. Wilhelm, der agile Deutsche, wurde ab jetzt, für sein weiteres Leben, als l’ etranger, der Fremde, bezeichnet. Dieser Name, von bösen Zungen als Stigmatisierung gedacht, wurde im Laufe der Zeit zu einer positiven Bezeichnung für Wilhelm.

Das junge Paar begann auf sehr couragierte Weise mit der Gestaltung ihrer gemeinsamen Zukunft. Die Liebe setzte in Renee und Wilhelm ungeheure Energien frei. Die Veränderungen welche die Beiden in die Wege leiteten waren atemberaubend. Von ihrer Großmutter hatte Renee einen Weinberg in bester Lage geerbt und den galt es jetzt zu verkaufen. Das Leben nach dem Krieg hatte sich soweit normalisiert, dass für eine gute Weinlage ein Spitzenpreis zu erzielen war. Die geschäftstüchtige junge Frau wollte das Geld zur Erweiterung des elterlichen Betriebs verwenden. Wilhelm plante den Bau einer Fabrikation von Landmaschinen. Als die Leute im Dorf die Pläne des – Fremden- erkannten, schlug ihre Ablehnung um, in Bewunderung und Hochachtung.

Das junge Glück schien vollkommen, als zu erkennen war, dass Renee ein Kind erwartete. Der Patron und seine Frau fieberten der Niederkunft genau so entgegen, wie die Eltern, wobei es außer Frage stand, dass nun endlich ein Junge im Haupthaus, wo beide Familien gemeinschaftlich wohnten, eintreffen würde. Auf dem Land galt eine Schwangerschaft als etwas vollkommen Natürliches. Renee erledigte, unterstützt von ihrer Mutter, ihre Arbeiten im Haushalt und in der expandierenden Firma. Das sich in ihr nun entwickelnde Leben stimmte sie froh und optimistisch, zumal Wilhelm ihr viel Aufmerksamkeit entgegen brachte. Das Verhältnis zwischen ihm und dem Patron, seinem Schwiegervater, basierte auf gegenseitigem Respekt, der Fremde war in den letzten drei Jahren fest in die Familie integriert und hatte hier eine neue Heimat gefunden.

Das für die Familie freudige Ereignis nahte am 24. Mär. 1948. Renee schenkte, im Krankenhaus zu Lyon, einem kleinen Jungen das Leben. Jacques Willy S., ein Wunschkind, bereicherte das Leben seiner Eltern und das seiner Großeltern. Der Patron weinte als er seinen Enkelsohn im Krankenhaus auf den Arm nahm. Die Nachkriegszeit, die für so viele Familien in Europa, Not und Elend brachte, war spurlos an dem - Fremden – und seinen Angehörigen, vorbei gegangen. Entgegen der damaligen Rollenverteilung, strebte Renee, nach der Geburt, möglichst bald wieder ihren Platz, in der Firma, an der Seite ihres Mannes, an. Der kleine Jacques blieb in der Obhut seiner Oma. Wilhelm und Renee versuchten in den kommenden Jahren die Pläne für ihre Zukunft zu realisieren. Die neue Firma entwickelte sich günstig. Wilhelms Ideen führten zu einen Verbesserung der Erträge in der Landwirtschaft seiner Kunden, die ihm mit Aufträgen überhäuften. Allerdings hatte er das Problem qualifizierte Mitarbeiter zu finden und so entwarf er einen ungewöhnlichen Plan. Im Nachkriegs- deutschland herrschte eine hohe Arbeitslosigkeit und davon hoffte er, jetzt als Unternehmer zu profitieren. Er ging die Sache ganz gezielt an, und versuchte unter seinen Verwanden in der Pfalz neue gut ausgebildete Mitarbeiter zu finden. Es gelang ihm seinen Cousin Richard S. für eine Zeit nach Frankreich zu verpflichten, ein Umstand der die familiären Banden in die Pfalz, nach dem Krieg, neu belebte. Möglicherweise löste die Begegnung mit seinem Cousin Richard , in Wilhelm, so etwas wie Heimweh nach Frankenstein aus. Vorerst schien er die Gedanken an die alte Heimat noch zu verdrängen. Der Aufbau des Familienbetriebes verlangte seine ganze Kraft und er richtete seinen Blick vorwärts in die Zukunft. Die Vergangenheit hatte vorerst keinen Platz in seinen Gedanken. Das änderte sich im Jahre 1954. Der kleine Jakob war jetzt sechs Jahre alt, als ihn sein Vater Wilhelm mitnahm auf eine Reise zu den Verwanden nach Frankenstein. Das Wiedersehen nach so vielen Jahren in der Fremde war überaus herzlich. Wilhelm zeigte seinem Sohn die Schönheiten des kleinen Walddorfes. Sein Herz zog ihn jedoch baldmöglichst zurück nach Frankreich, in die Arme seiner jungen Frau Renee.

Wilhelm und Renee war ein erfülltes Leben beschieden. Ihre wirtschaftliche Lage war als hervorragend zu bezeichnen und ihre Liebe überdauerte Jahrzehnte.

Wilhelm verstarb am 4. Febr. 1988 in Rillieux de pape, dem Ort der ihm zur zweiten Heimat geworden war. Seine Frau Renee lebte noch elf Jahre weiter, und starb am 28. Apr. 1999 in Trevoux.

Jacques S.,der Sohn der Beiden, hatte zwischenzeitlich geheiratet. Aus dieser Ehe ging eine Tochter hervor. Die Familie lebte in der Nähe von Lyon.

Als Jacques die Rente erreicht hatte erinnerte er sich wieder seiner Verbindung nach Frankenstein. In ihm keimte der Wunsch etwas mehr über die Familie seines Vaters in Erfahrung zu bringen. Er gedachte im dortigen Standesamt, die Lebensdaten seiner Vorfahren zu erfragen. Als Reisetermin wählten Jacques und seine Familie den 1. Weihnachtsfeiertag 2012, in Unkenntnis der Tatsache, dass in Deutschland, der 1. und 2. Weihnachtstag als Feiertage gelten, und die Standesämter geschlossen blieben.

Familie S. wählte die Autobahn nach Norden Richtung Nancy – Metz. Bei geringen Verkehrsaufkommen kamen sie zügig voran, auf ihrer Reise in die Vergangenheit.

Zur gleichen Zeit saßen in Frankenstein Doris und Peter bei einem gemütlichen Frühstück am 1. Weihnachtsfeiertag. Das Wetter war für Weihnachten viel zu warm, doch Kaffee und Brötchen trugen zu einer guten Stimmung bei. Ihr Hund Maxile, der den Status eines Familienmitglieds inne hatte, lag auf seiner Decke, und träumte vor sich hin. Für ihn gab es heute nur zwei wichtige Ereignisse, das Mittagsfutter und den anschließenden Spaziergang mit seinem Herrn.

Auch Familie S. wollte gegen Mittag an einer Raststätte zwischen Metz und Saarbrücken eine Mittagspause einlegen und ein kleines Menue einzunehmen. Claudette und ihre Tochter kannten die Pfalz nur aus Büchern und dem Internet. Sie waren neugierig auf die von Wald geprägte Landschaft, östlich von Saarbrücken.

Bei Doris und Peter war der Frühstückstisch bereits abgeräumt und die Vorbereitungen für das Mittagessen in vollem Gang. Der Duft nach gebratenem Fleisch zog durch das Haus und natürlich auch in die feine Nase von Maxile, dem Hund. Für den Wein der an diesem Tag getrunken werden sollte, war Peter zuständig. Selbstverständlich sollte es ein Rotwein aus dem Medoc sein, jener traditionsreichen Weingegend im Südwesten Frankreichs am Atlantik. Peter und Doris lebten einige Zeit in Soulac sur mer an der französischen Atlantikküste, und so lässt sich die Liebe zum Rotwein leicht erklären. Peter achtete sehr auf einen gut sortierten Weinkeller im Untergeschoß ihres Hauses. Der helle, mit vielen Regalen beschickte Raum läd zum Verweilen ein. Die ausgewählte Flasche entsprach von der Qualität her dem festlichen Anlass des Tages. Das Essen verlief in einer entspannten Atmosphäre. Der rubinrote Wein in den großen Gläsern, duftete herrlich und trug dazu bei, die vergangenen Zeiten in Soulac, auferstehen zu lassen. Im Gegensatz zu dem engen Tal Frankensteins, konnte der Blick aufs Meer bei Soulac, die Freiheit des Horizontes aufnehmen und auf die Seele wirken lassen.

Familie S. hatte ihr Mittagessen in der Raststätte beendet und machte sich auf den Weg zum Ziel ihrer Reise das in ca. 2 Stunden zu erreichen wäre. Die Tochter versuchte sich noch ein paar deutsche Redewendungen einzuprägen. Die Gedanken von Jacques schweiften zurück in die Vergangenheit zu den Personen, deren Namen er trug.

Kurz vor Saarbrücken passierte er die Grenze, die innerhalb der EU, ihre Bedeutung verloren hatte. Noch eine Stunde bis Autobahnabfahrt Hochspeyer.

Peter genehmigte sich noch ein weiteres Glas des Festweines, dann räumte er den Tisch ab und half Doris beim Abwasch. Maxile wartete jetzt auf den täglichen Mittagsspaziergang. Ein Ritual das Für Peter und Maxile, im laufe der letzten Jahre, zur festen Gewohnheit wurde. Heute sollte der Ausflug am Landgasthaus vorbei, im Diemersteiner Tal statt finden.

Claudette erkannte als Erste das Ausfahrschild Enkenbach / Hochspeyer und Jacques verließ die Autobahn.

Peter holte die Hundeleine. Für Maxile das Startzeichen, jetzt geht’s los in die Natur. Herr und Hund, ließen Doris zurück und machten sich gemütlich auf den Weg Richtung Land-gasthof. Vom Ortseingang her war das Gasthaus schon gut zu erkennen, die Parkplätze waren fast alle besetzt. Auf der Bundesstrasse von Kaiserslautern her nahte ein Wagen und bog links ab auf den Parkplatz. Peter erkannte am Kennzeichen ein französisches Auto. Die Insassen verließen den Wagen und zogen ihre Mäntel über. In diesem Augenblick spitzte Maxile die Ohren, sie vernahm französische Worte. Sie riss die Leine Peter aus der Hand und rannte auf die Fremden los und blieb bellend vor ihnen stehen und wedelte freudig erregt mit dem Schwanz. Peter war herbeigeeilt und griff nach Maxiles Leine. Die Fremden waren überrascht von dem stürmischen Empfang in Frankenstein. Maxile war ganz außer sich vor Freude, ihre Heimatsprache zu vernehmen, ihr war es egal, dass sie Ihren Herrn in eine peinliche Situation gebracht hatte. Aber auf solche weise wurde ein Kontakt hergestellt, der noch weitreichende Folgen nach sich zog. Peter ein kontaktfreudiger Mensch, entschuldigte sich für den Überfall seines Hundes uns so kam man ins Gespräch. Die Verständigung gelang gut, da sowohl Peter als auch Jacques, etwas die Sprache des anderen verstand. Familie S. war auf der Suche nach den Wurzeln ihres Vaters in Frankenstein und hatten sich vorgenommen, im Archiv der VB-Gemeinde Hochspeyer, nach Einträgen zur Familiengeschichte zu forschen. Die Enttäuschung war groß als Peter erwähnte, dass die Verwaltung über Weihnachten bis Neujahr geschlossen wäre. Der weite Weg von Lyon her würde jetzt mit einem Misserfolg enden. Jacques und die Seinen wollten für zwei Nächte im Landgasthof verbleiben und anschließend die Rückreise antreten. Doch es sollte anders kommen. Peter der ungefähr wusste welche Informationen Familie S., hinsichtlich ihrer Familiengeschichte suchte, machte einen überraschenden Vorschlag. Familienforschung war die große Leidenschaft seiner Frau Doris. Ohne groß nachzudenken lud er Familie S. für den Nachmittag zum Kaffee ein. Es wurde ein langer Abend in dem behaglichen Wohnzimmer am offenen Kamin. Die Kerzen am Weihnachtsbaum verbreiteten ein mildes Licht. Die spontane Gastfreundschaft von Doris und Peter machte auf Familie S. einen tiefen Eindruck. Doris mit ihrem Wissen um die alten Familien in Frankenstein, erkannte sehr schnell die Zusammenhänge. Dank ihrer umfangreichen Arbeiten förderte sie instruktiv die benötigten Informationen zu Tage.

Maxile lag in ihrem Korb, neben dem Kamin und folgte aufmerksam der Unterhaltung. Sie wusste es vom ersten Augenblick an, dass sie den richtigen Riecher hatte, auf dem Parkplatz, vor dem Landgasthof. Jetzt war sie gespannt welchen Verlauf die Geschichte nehmen würde.
Das Gespräch am Tisch nahm eine nicht vorhersehbare Wendung, als Doris Ihre Gäste mit einer verwandschaftlichen Bande konfrontierte. Ihre Großmutter Emma Koppenhöfer war die Schwester von Katharina Koppenhöfer der Mutter von Wilhelm S.. Diese Tatsache trug dazu bei, dass der Abend sehr lang wurde. Für den kommenden Tag planten die beiden Familien einen Besuch, bei dem in Frankenstein lebenden H. S. einen Cousin von Jacques. Die beiden Männer hatten seit 60 Jahren keine Verbindung mehr. Die Stunden waren angefüllt mit Erinnerungen und dem Austausch von Familienbildern. Dieses Wiedersehen nach so langer Zeit war für alle Beteiligten ein überwältigendes Ereignis. Es war ein wunderbares Weihnachten, das allerdings am nächsten Morgen zu Ende ging, als Jacques mit seiner Familie, die Heimreise nach Lyon antrat.

Doris verabschiedete sich von den Gästen mit der Zusage, den Stammbaum von Jacques S. zu erstellen. Peters cleverer Hund Maxile sei Dank. Sie hat sich um die Deutsch – Französische Freundschaft verdient gemacht.

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